Was ist „Spiel“? Einige Zugänge.

Eine Definition von “Spiel” kann weder umfassend noch eindeutig oder objektiv beantwortet werden – was nicht heißen soll, dass sie nicht beantwortet werden kann oder sollte. Die Frage “Was ist Spiel?” gehört zur Kategorie der prinzipiell unentscheidbaren Fragen (Heinz von Foerster), die individuell entschieden werden (müssen), und manchmal mehr über die jeweiligen Antwortenden, ihre Kultur oder ihren individuellen Blickwinkel aussagen können, als über den Sachverhalt selbst.

„Each person defines games in his own way – the anthropolgists and folklorists in terms of historical origins; the military men, businessmen, and educators in terms of usages; the social scientists in terms of psychological and social functions. There is overwhelming evidence in all this that the meaning of games is, in part, a function of the ideas of those who think about them.“
– E.M.Avedon in „The Structural Elements of Games“ in „The Study of Games“, Sutton-Smith and Avedon, Eds., New York 1971, p.438

“Spiel” ist bis heute ein Begriff im Fluß, dessen Bedeutung weiter ausgehandelt wird.

Wie nähern sich Forscher dem Problem?

‘Klassische’ Spieltheorien versuchen prinzipiell drei Fragen zu beantworten:

  • Woran erkennt man Spiel/Spiele/Spieler?
  • Warum spielt man?
  • Welche Arten von Spiel/Spielen/Spielern gibt es?

Die Antworten können separat erfolgen, implizit die anderen Fragen mit einschließen oder zusammen ein integriertes Theoriegebäude ergeben.
Die Forscher werden außerdem eine Verknüpfung der Antworten mit ihrem üblichen Forschungsgegenstand herzustellen versuchen, (z.B. Didaktik, Entwicklungspsychologie, Soziologie, Mathematik, Wirtschaft, Militär, Computerspiele, Spieldesign, Literaturwissenschaft, Kunst etc.), sich auf verwandte Ideengebäude anderer Forscher stützen bzw. diese zu diesem Zweck interpretieren.
Spieltheoretische Ansätze können “Spiel” so auch als nicht-eigenständiges, bedingtes Phänomen ansehen (z.B. der späte Piaget für kognitive Entwicklung) oder es als Metapher für eine bestimmte Art des menschlichen Handelns interpretieren (z.B. von Neumann für zweckrationales Handeln in seiner mathematischen Spieltheorie). Weiterlesen

„What’s next?“ – Spiel als Medium

Zu meinem Beitrag „Spiel: Krise!“ auf dem Symposium „What’s Next?“ (21.10.-22.10.2011) an der Universität zu Köln gibt es bei Interesse ein Video und die Folien bei Slideshare.

Der Blog „Nach den Regeln der Kunst: Spiel als Medium“, der aus dem Workshop und dem anschließenden Seminar entstand, fasst studentische Arbeitsergebnisse und Gedanken zum Thema Spieldesign, Kunst, Krise zusammen.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=o8gPuM_At_I[/youtube]

Eike Paulsen und Richard Stief:
„VektorRace“ – Durchdringung von virtuellem und realem Raum

Darja Shatalova:
„Schicksal“ – Brettspiel mit strategischen und Zufallselementen.

Weiterlesen

The Breaking of the Circle

Playing with, through, against medial boundaries.

This article is based on the presentation on September 29th 2011,
„Designs on eLearning DoeL – Future Spaces for Learning“, Helsinki

Picture: DoeL 2011: „Circles within circles“

Abstract

Digital-networked games are created to foster a desired pattern of behaviour in their users, beyond the mere delivery of content; this is a trait shared with many innovative digital media developments.

This can be seen as an opportunity for creating better learning – or rather teaching – media, but there will also be ideological, propagandistic or commercial (mis)use. What is necessary is a broad approach in arts, ethics and aesthetics to target and tackle the permeating structures behind the obvious content, and hint on playing with medial borders – named here higher order gaming – as an anarchistic, radical counterpart in contrast to rule-conforming, more conservative gaming and game design.

Game design may follow two roads. The classic path of first order game design would be to deliver the content as challenging and as balanced as can be, to draw the player smoothly into the confines and safety of the ‚magic circle‘ of play. Alternatively it may point to the ‚magic circle‘ as a place of manipulation and the player’s power over this manipulation as player/designer. Weiterlesen

Das Eckige muss ins Runde?



Weil Spiel-Software in der Regel einfacher zu bewerben und zu verkaufen ist als ihre bildungstheoretische Reflexion, gelten „Game based Learning“ (GBL), „Playducation“, „Gamification“ und ähnliche Projekte als state of the art – auf Didaktikmessen und Konferenztagen gleichermaßen. In der aktuellen Auflage des vom New Media Consortium jährlich publizierten »Horizon Report«, dem Standardwerk zur Bildungstrendforschung, wird GBL als relevante Lernstrategie der nächsten zwei bis drei Jahre identifiziert.
Dass die theoretischen Konzepte bei einer allzu sorglosen Verquickung von Spiel und Lehre wenn nicht bis Platon so in der Regel doch auf behavouristische Wurzeln zurückreichen und so das Spiel auf ein bloßes Mittel zum Zweck reduziert wird, wird dabei gemeinhin ignoriert.

Ein besonderes Problem der Korrelation von Lernen, Bildung und Spielen liegt in der Eigenart der Deutschen Sprache, nicht ohne weiteres zwischen regelgeleitetem Spiel und innovativem bzw. explorativem Spiel zu unterscheiden. So bedeutet im Englischen „gaming“ die Akzeptanz eines absolut bindenden Bezugssystems aus Regeln und Narrationen, um am Spiel teilnehmen und es ggf. gewinnen zu können, während „playing“ oder „toying“ eine schöpferische Umdeutung bzw. Umreglementierung eines Wirklichkeitsaspekts vorangeht, um damit bzw. darin dann spielen zu können. Dies sind keine Gegensätze, sondern gegenseitige Ergänzungen, sichtbar z.B. im kindlichen Rollenspiel, wenn sich Phasen des gemeinsamen Aufstellen oder Modifizieren von Regeln und Deutungen abwechseln mit solchen der Unterordung des Handelns darunter. Wenn beim Vater-Mutter-Kind-Spiel auf den Ausruf „Du darfst das nicht, du bist die Mutter!“ die Entgegnung folgt „Darf ich wohl, gerade weil ich die Mutter bin!“, dann stecken die Spieler mitten im Wechsel zwischen kreativem Metaspiel und konservativem Regelspiel. Weiterlesen

Some Game Design Approaches

As impressive as most commercial games look like, ’new‘ games rely mostly on skinning (signs and stories), slight modding (rule systems), recombination and maybe some additional extras – to already known and successful games and game mechanics. Weiterlesen

The absence of a sign is the sign of an absence

It may seem counter intuitive, but an empty space may be as expressive in specific circumstances as would be a present object. Of course there are obvious taboos in a society that deliberately lead to an absence of a sign, although the object, process, system itself is present, maybe even formative for the culture. This is more a conscious renouncement, like the omission of specific politically uncorrect expressions (see? I did it – no examples given).

The categories are sometimes blurred, but the more dire version of an absence of signification is the one one can not see from within the system of signs one uses to handle the world. These absent signs lie in the blind spot of cognisance that Heinz von Foerster describes as metaphor for things we won’t know and systemically won’t know that we won’t know them – thus, with this metaphor, creating a sign for something not easily expressable before. You can find the physiological phenomenon and an experiment described here.
For culture, this may be the omission of systemic forces in political discourse in a liberal market society, with a demand of a  high degree of autonomy and responsibility from its ‚free‘ participants; or the seemingly wide spread notion of persons of wealth and power in our societies, that they just shape the ‚content‘ – e.g. power, money, concrete decisions – by entitlement of ‚hard work‘, ‚expertise‘ etc.; and not the ‚rules‘ within these decisions are made; or how ‚hard work‘ or ‚expertise‘ is defined. A good example to render this kind of blind spot visible is Garry Shirts‘ 1969 famous game of „Starpower“. Weiterlesen

Alternate Reality Games – „Spiel es, bevor du es lebst.“

„Planspiele sind Modelle der Wirklichkeit, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in definierten Rollen und in vorgegebenen Handlungsräumen provozieren, eine fiktive Ausgangslage zielgerichtet zu verändern.“
– Dietmar Ochs (2006), „Das Planspiel im Unterricht

„Play it before you live it.“
– ARG-Motto

Ein Alternate Reality Game – oder kurz ARG – ist eine Mischung aus Webquest, (Life)Rollenspiel, szenariogestützter Zukunftswerkstatt, kollaborativem Schreiben (ähnlich der FanFiction), Massive Multiplayer Online Game (MMOGs) und nicht zuletzt dem klassischen deutschen Planspiel – allerdings spielen die Spieler sich selbst vor einem gradiell erweiterten fiktiven, progressivem Hintergrund und nehmen nicht vorgegebene Rollen an. Das Spiel findet im ‚öffentlichen Raum‘ (heute meist in dem des Internets) statt; ‚Zuschauer‘ sind möglich, die Teilnahme am Spiel ist meist gewollt für diese offen gehalten. Weiterlesen

„Social Media – Demokratie, Partizipation, Manipulation?“

Zur Podiumsdiskussion am 04.11.2011 der Volkshochschule
(Es diskutieren: Guido Brombach (DGB Bildungswerk, pb21 / #GiBro), Agnieszka Krzeminska (Social Media Führerschein), Dr. Jan Schmidt (Hans-Bredow-Institut Hamburg), Wey-Han Tan (Universität Hamburg), Henning Wötzel-Herber (ABC Bildungs- und Tagungszentrum e.V. / #Plastikstuhl); Vortrag: Prof. Dr. Torsten Meyer (Universität zu Köln); Moderation: Christina Schwalbe (Universität Hamburg))

Ich mache drei Ebenen der Lenkung von Kommunikations- und Informationsprozessen aus. Dies sind die institutionelle, die technisch-mediale und die individuelle Ebene. Weiterlesen

Funktionen des Spiels: Ideologisierung, Training, Bewältigung, Resilienz

Betrachtet man einige Theorien über die Funktion des Spiels, dann ergibt sich stark vereinfacht u.a. folgendes:

  • Brian Sutton-Smith (1978): “Die Dialektik des Spiels” (S.65-102)
    Spiel sorgt u.a. für eine Umkehrung und damit Verständnis von Machtbeziehungen, ebenfalls für ein Verständnis komplexer Beziehungen über Abstraktion und Variation und bereitet über eine Erweiterung des adaptiven Verhaltenspotenzials auf gegenwärtig gegebene Erfordernisse als prinzipiell auch auf zukünftige, unvorhersehbare Veränderungen der Umwelt vor.
  • Rolf Oerter (1993): “Psychologie des Spiels”, S.211 ff.
    Adaptive Funktion, Realitätsbewältigung durch Austausch, Aneignung, Bewältigung, Protest; Spiel entwickelt und bereitet auf zukünftige erwartbare Probleme vor.
  • Jean Piaget in Rolf Oerter (1993): “Psychologie des Spiels” , S.178 f.
    Beim Symbolspiel ist Spiel “überbordende Assimilation”, d.h. der Spieler ‘eignet sich die Welt an’, formt sie in ihrer Bedeutung so um, dass sie seinem Ich unterwerfbar wird; es ist eine Verteidigung gegen die erzwungene Akkomodation der Erwachsenenwelt.

Kurz zusammen gefasst geht es u.a. um dem Umgang mit dem Gegebenen (der Kultur und ihren Anforderungen an das Individuum), dem Gewünschten (dem individuell Defizitären) und dem Potenziellen (dem kulturell Defizitären); es geht damit auch um die Funktion von Spielen als kulturelle Serious Games. Weiterlesen

Kultur, Triviale Maschinen und Spiel

Johan Huizinga geht von einer engen, kausalen Verschränkung von Spiel und Kultur aus: Kultur ist Ergebnis früherer ritualisierter, verfestigter Spielhandlungen. Bestimmte Kulturen favorisieren bestimmte Spielmechanismen und Spielnarrationen; so fanden z.B. in mittelalterlichen bäuerlichen Kulturen eher Glücksspiele Anklang, da der Alltag von Fährnissen, Willkür und Unwägbarkeiten geprägt war, während der Adel Schach spielte, um spielerisch Kontrolle, Macht und Taktik zu erfahren (s. Udo Thiedecke „Spiel-Räume: Kleine Soziologie gesellschaftlicher Exklusionsbereiche“).
Die These ist: Eine Kultur (genau wie das Individuum) spielt mit den Unwägbarkeiten ihres Alltags, sie stellt sich so symbolisch den erwartbaren Konfrontationen und Konflikten. Weiterlesen