Spiel: Schritt für Schritt in fremden Schuhen.

Das Quiz ist eine leicht an verschiedene Situationen und Inhalte anpassbare und fast jedem geläufige Spielmechanik: Fragen werden gestellt, und von der Antwort hängt es ab, ob ein Spieler weiter kommt oder nicht.

Essenziell benötigt man also einen

  • Positionsanzeiger (Punktestand, Spielpöppel, Abgestrichene Fragen, die Spieler selbst);
  • ein Spielfeld, auf dem dieser bewegt wird (Punktetabelle zwischen 0 und maximal möglichen Punkten, Zählfeld, Frageliste, von Start- und Zielposition eingegrenztes Lauffeld);
  • Fragen, die von den Spielern beantwortet werden müssen; sowie
  • Regeln, die die Art der Beantwortung, deren Folgen sowie die End- und Startbedingungen des Spiels beschreiben.

Die Variationsfähigkeit dieses Konzepts macht es universell einsetzbar, von „Wer wird Millionär“ bis zum „Eckenrechnen“ (Version für den Hörsaal).

Interessant aus didaktischer Sicht wird dieses einfache Spielkonzept, wenn den Spielern

  • keine objektiv beantwortbaren Fragen gestellt werden,
  • sie unterschiedliche Vorbedingungen mitbringen bzw. als Vorgabe erhalten, die in die Beantwortung und damit ihr Vorankommen einfliessen und
  • die eigene Person als Spielfigur weiterbewegt wird oder stehenbleiben muss.

Diese Quizart wird damit spielmechanisch zu einer verdichteten Version eines Pen-and-Paper-Rollenspiels mit Möglichkeit zur Identifikation mit dem Spielcharakter. Weiterlesen

Spiel: Interdisziplin – Rücken an Rücken im selben Boot

“It was a little like that game where you have to go from sausage to Plato in five steps, by association of ideas. Let’s see: sausage, pig bristle, paintbrush, Mannerism, Idea, Plato. Easy. (…) There are always connections; you have only to want to find them.”
– Umberto Eco (1988), “Foucault’s Pendulum”, p.35

„In der Natur ist alles mit allem verbunden, alles durchkreuzt sich, alles wechselt mit allem, alles verändert sich eines in das andere.“
– Gotthold Ephraim Lessing (1769),“Hamburgische Dramaturgie“

Fachdisziplinen sind strikt getrennt zu halten! Interdisziplinarität oder gar Transdisziplinarität erschwert die Zuordnung von Intentionen und Bewertungsperspektiven ihrer Akteur*innen (<irony off>)). Assoziative Spiele aber haben genau das als Spielprinzip: Zu verbinden, was auf den ersten Blick unverbunden oder unverbindbar erscheint. „Interdisziplin“ lässt sich mit Vertretern verschiedener Disziplinen zum kreativen Brainstorming und als erweitertes Kennenlernspiel einsetzen.

Ein ähnliches Spielprinzip wie „Interdisziplin“ verfolgen Poeten-Patience, eines der drei Lerntheorie-Minispiele (Spielvariante: Konstruktivismus) und das beliebte Wikirace. Weiterlesen

Spiel: Tropfenstaffel – Materialität im Spiel

Spielablauf

  • Die Mitspieler*innen könne sitzen oder stehen. Jede*r Mitspieler*in erhält ein Blatt von Kapuzinerkresse, Kohlrabi (auf jahreszeitliche Verfügbarkeit achten! Achtung, Rosenblätter sind vom Effekt her spannend aber ungeeignet) etc.
  • Der/die erste Mitspieler*in erhält aus einer Pipette oder einer Einwegspritze einen Tropfen Wasser auf ihr Blatt und gibt diesen an die/den nächsten via der Blätter weiter bis der Kreis geschlossen ist.
  • Es können weitere Wassertropfen ins Spiel gebracht werden. Prinzipiell gibt es kein Ende des Spiels bis die Spieler*innen sich dafür entscheiden.

Dew drops on a leaf

Dewdrops on a leaf. Photo by Mikael F. CC BY-SA-NC 2009

Besipielhafte Fragen für ein Debriefing

  • „Was ist passiert?“
    Die Interpretation dieser Frage gibt Aufschluss über die Antwortenden und ggf. deren Erwartung an die Lehreinheit in der Art eines Rorschach-Tests: Ist die Antwort physikalisch, botanisch, emotional oder didaktisch gefärbt?
  • „Was ist deiner Ansicht nach die Bedeutung dieses Spiels für dich / die Gruppe / für den institutionellen Rahmen, in dem wir hier sind / für das Thema heute?“

Die Tropfenstaffel wurde mir ursprünglich von einer Biologielehrerin gezeigt (deren Namen ich leider vergessen habe…), die diese Methode auf Schulexkursionen zur Verdeutlichung des Lotosblüteneffekt eingesetzt hat.

Letztendlich können Spiele dieser Art – verblüffend, vieldeutig, ästhetisch – eine Ergänzung von Containerspielen oder Gamification-Ansätzen sein: Die Aufmerksamkeit der Lernenden wird geschärft, es wird aber Raum gelassen für eine Erfahrung, die individuell gedeutet werden kann und soll. In dieser Hinsicht können diese Spiele – mit knappen Debriefing mit dieser Erklärung – Stimmungen für nachfolgende ‚vorgedeutete‘ Lerninhalte setzen.


Weitere Spiele dieser Art

Stille-Post-Spiele

Spiel: Skrupel – Ein Spiel mit Moral (überarbeitet!)

Eines der prägendsten Attribute von Spiel ist die Möglichkeit des Spielers, bedeutsame Entscheidungen zu fällen. Den üblichen rein objektiv-strategisch-logischen Entscheidungen – „Was würde man in dieser Situation tun?“ – kann man dabei subjektiv-interpetativ-narrative Entscheidungen entgegenstellen – „Was würde Ich in dieser Situation tun?“.

Um ein Spiel zu entwickeln, dass auf dem weniger bekannten letzteren Spielprinzip aufbaut und dies den Studierenden verdeutlicht bzw. erspielbar macht, hatte ich mir 2012 basierend auf Kohlbergs „Heinz-Dilemma“ und der Punktevergabe des „Lexikon-Spiels“ das Seminarspiel „Skrupel“ ausgedacht: Die Spieler werden mit moralischen Dilemmata konfrontiert und müssen einerseits entscheiden, wie sie handeln würden, andererseits die Entscheidungen ihrer Mitspieler abschätzen, um zu gewinnen.

SkrupelScreenshot

Link zum Download des Spiels „Skrupel“ (2014)

Die drei Beispielfragen sind angelehnt an Lawrence Kohlbergs Theorie der Moralentwicklung, den Studierenden üblicherweise bekannt aus der pädagogischen bzw. Entwicklungspsychologie. Weiterlesen

Mathematische Spieltheorie, ethisches Handeln und Gesellschaft

Die mathematische Spieltheorie beschäftigt sich mit den sich gegenseitig beeinflussenden Entscheidungen mehrerer (rational handelnder) Spieler und deren mathematischen Beschreibung. Sie steht in Abgrenzung zu den Spieltheorien von z.B. Kulturanthropologen, Pädagogen, Psychologen etc. zu Strukturen und Funktionen des Spiels.

Grundsätzlich haben „Spiele“ der mathematischen Spieltheorie stets folgende Eigenschaften: Es gibt mehrere Spieler; es gibt Regeln, die die Interaktionsmöglichkeiten und den Umgang mit Informationen (wer weiß wann was?) festlegen; die Spielerentscheidungen haben Konsequenzen, die die eigenen und die Entscheidungen der Mitspieler beeinflussen; und es gibt eine Belohnung oder Auszahlung (oder Strafe) abhängig von bestimmten Bedingungen.

Die vier Eigenschaften von GT-Spielen. Aus: „Hogwarts Professor. Game Theory: A key to young adult’s fiction?“. Noch aufzuführen wäre unter Regeln der Umgang mit Information (PAPI: Players, Actions, Payoffs, Information)

Das Gefangenendilemma, ein Nicht-Nullsummenspiel, ist das bekannteste „Spiel“ der mathematischen Spieltheorie. In seiner Grundform als einmaliges Single-Shot-Spiel mit anonymen Gegenspieler ist die einzige rationale Strategie, den Gegner herein zu legen, d.h. die Entscheidung ist ausschließlich eine ethische. In diesem Zusammenhang sei einmal mehr auf Heinz von Foersters Betrachtung prinzipiell entscheidbarer und prinzipiell unentscheidbarer Fragen hingewiesen: Rationalität bzw. „rationales Handeln“ ist eine Entscheidungsfindungsstrategie unter vielen, die gewählt, modifiziert oder auch abgelehnt werden kann.

Christopher X.J. Jensen hat ein interaktives PDF dazu erstellt:

Bildschirmfoto 2016-01-22 um 14.50.08

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e8/Prisoner’s_Dilemma_embezzlement_scenario.pdf

Weiterlesen

„In Zeiten des digitalen Wandels“

„Das Internet ist für uns alle Neuland.“
Angela Merkel beim Besuch Barack Obamas am 19.06.2013

„In Zeiten digitalen Wandels“ ist eine allgegenwärtige Floskel, insbesondere in Bereich der Politik und der (Aus)Bildung. Problematisch ist hier der Begriff „Wandel“, der üblicherweise zwischen zwei Phasen der Stabilität eine Zeit des Umbruchs, der Neuorientierung und auch der Krise bezeichnet. Der Begriff „Wandel“ ist im Zusammenhang medientheoretischer Betrachtung des Digital-Vernetzten zu unscharf! Weiterlesen

Spiel: Skrupel – ein Spiel mit Moral

Eines der prägendsten Attribute von Spiel ist die Entscheidung auf Seiten des Spielers. Um den rein strategisch-logischen Entscheidungen auch interpretativ-subjektiv-narrative entgegen zu setzen, habe ich mir basierend auf Kohlbergs „Heinz-Dilemma“  und der Punktevergabe des „Lexikon-Spiels“ das Seminarspiel „Skrupel“ ausgedacht. Interessanterweise kommt es im Verlauf des Spiels bisher stets zu einem Kippen zwischen präkonventionellem und postkonventionellem moralischen Verhalten einiger Spieler: Sollen die Entscheidungen altruistisch-ehrlich (Einstieg, 3. Stufe) oder egoistisch-gewinnorientiert (Kippen, 2. Stufe) gefällt und erzählt werden?

SkrupelScreenshot

Weiterlesen

Spieldesign: Verbindung von alten und neuen Spielideen

Gemälde: Lucas von Leyden (1. Drittel des 16. Jhdts), „Die Schachpartie“
„Das Kurierspiel“ – Ein Schachbrett mit 12 x 8 Feldern?

Die wenigsten neuen Spiele entstehen aus dem Nichts, und viele der heutigen bekannten ‚kanonischen‘ Spiele sahen früher anders aus, wurden anders gespielt oder besaßen andere Rahmenerzählungen. Diese Entwicklung lässt sich im Kleinen auch beim Kinderspiel entdecken:

“Every game player is a potential game designer, and that means you.
When you were a kid, you probably started many a game of whiffle ball or Monopoly with a little negotiation over the rules. “If the ball gets stuck in a tree, it’s an out,” “Chance and Community Chest fines go into a pool, and whoever lands on Free Parking gets the money,” and so on. Kids don’t hesitate to change the rules of existing games to make them more enjoyable. The participatory nature of playing a game encourages us to think about, and sometimes modify, its rules that is, its design. (…) We’ve all played games that we thought could be improved by a few adjustments.”
– Rollings and Adams (2003): “Andrew Rollings and Ernest Adams on Game Design”, p.11

Wie bei anderen Medien auch gibt es im Spieldesign Genres, Tropen, Klischees; ständig wiederkehrende Narrationen – z.B. Krieg, Handel, Kreation, Auktion, Jagd, Aufbau, Fortschritt, Zuordnung etc. – und beliebte Regelelemente – z.B. Zufall, versteckte Information, abwechselnde Zugfolge, zwei Parteien etc.. Dabei geben die Regeln oder das physikalische Spielmaterial die eindeutige Spielmechanik vor, die die erlaubten Züge und das Spielziel definiert, während die narrativen Elemente Bedeutung und Motivation in die Spielhandlungen einbringen.
Die Veränderung einzelner Regelelemente – z.B. Karten zu ziehen und auszuspielen statt zu Würfeln bei “Mensch Ärgere dich nicht” oder das ‘blinde’ Spielen von “Tic-Tac-Toe” mit einem Spielmeister – ergibt bereits ein neues Spiel mit anderem Spielgefühl und anderer Aussage; kurz, es entsteht ein neues Medium, in dem gespielt werden kann (s. Marshall McLuhan).
Das selbe lässt sich beobachten, wenn narrative Elemente des Spiels geändert werden: Ein Computerspiel, bei dem man  gezielt eine Person töten muss, würde, je nachdem, ob man Terroristen oder Anti-Terror-Truppen spielt, ein anderes Spielgefühl hervorrufen („America’s Army“). Die erste Version von Risiko hatte z.B. als Mission noch „Erobern sie die Welt“, bis diese in das ‚ungefährlichere‘ „Befreien sie die Welt“ umgeformt wurde.
Und was passiert, wenn Beim „Cowboy und Indianer“-Spiel auf einmal kein Kind mehr die Cowboys spielen will? Weiterlesen

Ringvorlesung „Medienbildung zwischen Utopie und Praxis“

Mit Blick auf die gesellschaftliche Relevanz von Medien und Bildung stehen theoretische Perspektiven und euphorische Utopien nicht selten praxisorientierten Projekten oder teils ernüchternden Erfahrungen aus dem pädagogischen Tagesgeschäft gegenüber.

Die Ringvorlesung „Medien & Bildung“ möchte im Wintersemester 2012/2013 einen interdisziplinären Raum schaffen, um dieses Spannungsfeld zwischen – im weitesten Sinne medienpädagogischen – Visionen und Forderungen sowie tatsächlichen Praxen und Förderungen in den Blick zu nehmen und zu diskutieren. Es soll verdeutlicht werden, warum beides notwendig ist: einerseits die Beschäftigung mit Hintergründen und Zusammenhängen, die nicht selten geprägt sind von einer idealisierenden Sichtweise auf aktuelle technologische, soziale und kulturelle Veränderungen; andererseits die Reflexion der Praxis und damit eine Auseinandersetzung mit alltäglichen Problemen, Hindernissen, Risiken – aber auch mit Chancen, Erfolgen, Veränderungen.

Ausgangspunkt der Vortragsreihe sind Kontroversen zwischen VertreterInnen von Utopie und Praxis, zwischen Hoffnung und Wirklichkeit, zwischen Euphorie und Ernüchterung. Ziel ist es, einen Rahmen für die Weiterentwicklung zeitgemäßer Medienbildung zu schaffen und damit Möglichkeitsräume für ein gemeinsames (Weiter-)Denken zu eröffnen. Weiterlesen

Artikel in „shift“: #spiel

Dieser Artikel von mir erschien gerade in Heil, Kolb und Meyer (Hg.) „shift.“, ein Reader – der erste – aus der Reihe „Kunst Pädagogik Partizipation.“, enstanden als gemeinschaftlich verfasstes Werk der TeilnehmerInnen des Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-2012.
Ich bin recht zufrieden mit dieser Version hier, während die lektorierte Version in der Printausgabe ein gutes Beispiel dafür ist, wie eine veränderte Interpunktion die Bedeutung einer Aussage verändern kann: „Komm wir essen Opa“. Weiterlesen