Spiel: Punchcards und Co – Gamifications!

Die Idee ist robust, schnell erklärt und lange erprobt: Das stetige und aufmerksame sich Beschäftigen mit einer Tätigkeit führt schließlich zu Aufstieg, Meisterschaft und Belohnung. Rabattmarken, Vielfliegermeilen oder Treuepunkte sind Beispiele für kommerzielle Umsetzungen von Gamification. Experience Points (XP) oder gelöste Aufgaben als „Währung“, um Badges zu erwerben, Levels zu meistern, Achivements zu erhalten, sind deren Äquivalent in Spielen.
Auch, wenn sich die den Listen zu Grunde liegenden Tätigkeiten bei Gamification-Ansätzen nicht von denen des üblichen Lernalltags unterscheiden, findet erstens ein anderes Framing statt: Wettbewerb und Sammeltrieb können und sollen ein spielerisches Gefühl auslösen; zweitens wird der Lernfortschritt sichtbarer als nur bei einer Abnahme der Leistung ganz am Ende des Oberthemas.

Den Listenstrukturen liegen erkennbar behavioristische lerntheoretische Ansätze zu Grunde, d.h.

  • ein Aufteilen komplexer oder umfangreicher Themen in kleine, genau definierte Abschnitte bzw. dazu passenden Aufgaben, ggf. in einer logischen, aufeinander aufbauenden Abfolge;
  • ein direktes Feedback nach einem Erfolg oder Mißerfolg, idealerweise in Form einer Belohnung bzw. einer Korrektur und Wiederholung; und
  • klare, eindeutige Zielsetzungen, deren Erreichen üblicherweise von einer Autorität kontrolliert und belohnt wird.

Prinzipiell geht es um eine orientierende Strukturierung von Lernstoff in Form von übersichtlichen ungeordneten, geordneten oder verzweigenden Listen, durch die sich die oder der Lernende schrittweise „hindurchspielen“ kann.

Didaktische Ziele des Einsatzes

  • Zu Beginn dient die Liste als Übersicht über die Lernziele und den Aufbau der Lehreinheit.
  • Die Lernenden werden motiviert, dem Lehrinhalt aufmerksamer zu folgen und erhalten gleichzeitig kleinschrittigere „Belohnungen“ durch regelmässiges Abhaken der Liste (Bingo-Effekt).
  • Während und am Ende der Lehreinheit dienen unausgefüllte Felder als Hinweis für  offene Fragen, Defizite bzw. nötige Vertiefungen.
  • am Ende der Lehreinheit finden die ausgefüllten Listen Verwendung zur Kontrolle für Lernende und/oder Lehrende über das erfolgreiche Erreichen der geplanten Lernziele.

Eine Variante ist das Erstellen einer solchen Liste zu Beginn der Veranstaltung durch die Lernenden, um erwartete oder selbst gesetzte Lernziele mit den tatsächlichen abgleichen zu können.

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Planspiele – Strukturierte Rollenspiele um reale Konflikte

Was sind Planspiele?

Planspiele sind eine Kombination aus Rollenspiel, Ressourcenmanagement, Fallstudienbeschreibung und Kommunikation. Prinzipiell schlüpfen die Spieler*innen dabei in einem Szenario in die Rollen verschiedener Akteure und erhalten vor Spielbeginn ein Briefing über deren Interessen, Motivationen, Ressourcen sowie den Ablauf der Spielrunden, in der sich die Spieler*innen über ein gemeinsames Vorgehen verständigen sollen.
Die Wirksamkeit des Planspiels liegt dabei in der Agency der Spieler*innen: Es werden die verschiedenen Standpunkte nicht nur vermittelt, sondern in ihren Entscheidungen und Widerständen auch erfahr- und erlebbar gemacht. Eine Debriefingphase verknüpft die im Spiel gewonnenen Eindrücke – auch Emotionen – mit realweltlichen Aspekten des Spiels.

Die nachfolgenden Hinweise zu den Planspielen sind passend und wertvoll für Betrachtung, Planung, Einsatz und Debriefing auch anderer didaktischer Spiele ab einem gewissen Komplexitätsgrad!

Capaul und Ulrich (2003, 14) definieren Planspiele so:
„Das Planspiel versetzt die Teilnehmerinnen in eine fiktive Situation, die ein vereinfachtes Abbild einer speziell ausgewählten, realen oder hypothetischen Situation ist. Während mehreren Spielrunden machen sich die Teilnehmerinnen mit dem Szenario vertraut, sie analysieren die Ausgangslage und die Ziele, führen Verhandlungen und fällen konkrete Entscheidungen. Daraus wird mit Hilfe des Planspielmodells die Ausgangslage für die nächste Spielrunde ermittelt. Der Einsatz eines Computers ist dabei nicht zwingend.
Während der anschliessenden Transferphase werden die Erfahrungen aus dem Planspiel mit der Realität verbunden. Während dieser Reflexionsarbeit entwickeln die Teilnehmerinnen ihre handfesten Erfahrungen aus dem Planspiel zu praxiswirksamen Handlungswissen weiter.“

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MuMM – Medien- und Methodenmixer

MuMM – Das Spiel um Hochschullehre und neue Medien.

In MuMM übernehmen die Spieler*innen die Rolle von Lehrenden, die über einen Zeitraum von vier Semestern Lehrveranstaltungen anbieten und durchführen sollen. Jede Lehrveranstaltung stellt die Spieler*innen vor ganz eigene Herausforderungen, die mit Hilfe unterschiedlicher Methoden oder Medien bewältigt werden können. Ob hierbei kooperativ oder gegeneinander gespielt wird bleibt offen. Mit MuMM möchten wir die Spieler*innen herausfordern, über bekannte und neue Einsatzmöglichkeiten technischer Medien und didaktischer Methoden nachzudenken und ins Gespräch zu kommen.

Dateien zum Download, Ausdrucken, Lesen oder Bearbeiten:

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Spiel: Fisch für die Welt – Modellieren und Modifizieren

„The essence of dramatic tragedy is not unhappiness. It resides in the solemnity of the remorseless workings of things.“
– A.N. Whitehead (1948), „Science in the modern world“. Zitiert in Garrett Hardin (1968), „The tragedy of the commons„.

„Fisch für die Welt“ ist ein kleines RealLife-Simulationsspiel, das auf „Harvest“ aus dem Buch „The Systems Thinking Playbook for Climate Change: A Toolkit for Interactive Learning“ von Sweeney, Meadow und Mehers (2011) basiert. Das Buch ist als Ausgabe des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) frei im Web verfügbar. Im Buch wird mit dem Spiel über narrative Rahmung und Debriefing die Ausbeutung der Commons/Allmende von Fischbeständen auf Kosten aller verdeutlicht.
Spieltheoretisch ist es eine weniger abstrakte Variante des Gefangenendilemmas.

Zeichnung „Fischtrawler“ CC BY Wey-Han Tan 2017

Es gibt eine webbasierte Version „Fishbanks“ mit mehr Variablen (Ankauf/Verkauf/Wertverlust von Schiffen, verschiedene Fanggebiete etc.), die als Multiplayer-Spiel für Klassen eingesetzt werden kann, in meine Augen aber etwas vom Reiz der Unmittelbarkeit und der transparenten, leicht modifizierbaren Regeln einbüßt.

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Spiel: Interdisziplin – Rücken an Rücken im selben Boot

“It was a little like that game where you have to go from sausage to Plato in five steps, by association of ideas. Let’s see: sausage, pig bristle, paintbrush, Mannerism, Idea, Plato. Easy. (…) There are always connections; you have only to want to find them.”
– Umberto Eco (1988), “Foucault’s Pendulum”, p.35

„In der Natur ist alles mit allem verbunden, alles durchkreuzt sich, alles wechselt mit allem, alles verändert sich eines in das andere.“
– Gotthold Ephraim Lessing (1769),“Hamburgische Dramaturgie“

Fachdisziplinen sind strikt getrennt zu halten! Interdisziplinarität oder gar Transdisziplinarität erschwert die Zuordnung von Intentionen und Bewertungsperspektiven ihrer Akteur*innen (<irony off>)). Assoziative Spiele aber haben genau das als Spielprinzip: Zu verbinden, was auf den ersten Blick unverbunden oder unverbindbar erscheint. „Interdisziplin“ lässt sich mit Vertretern verschiedener Disziplinen zum kreativen Brainstorming und als erweitertes Kennenlernspiel einsetzen.

Ein ähnliches Spielprinzip wie „Interdisziplin“ verfolgen Poeten-Patience, eines der drei Lerntheorie-Minispiele (Spielvariante: Konstruktivismus) und das beliebte Wikirace. Weiterlesen

Spiel: Tropfenstaffel – Materialität im Spiel

Spielablauf

  • Die Mitspieler*innen könne sitzen oder stehen. Jede*r Mitspieler*in erhält ein Blatt von Kapuzinerkresse, Kohlrabi (auf jahreszeitliche Verfügbarkeit achten! Achtung, Rosenblätter sind vom Effekt her spannend aber ungeeignet) etc.
  • Der/die erste Mitspieler*in erhält aus einer Pipette oder einer Einwegspritze einen Tropfen Wasser auf ihr Blatt und gibt diesen an die/den nächsten via der Blätter weiter bis der Kreis geschlossen ist.
  • Es können weitere Wassertropfen ins Spiel gebracht werden. Prinzipiell gibt es kein Ende des Spiels bis die Spieler*innen sich dafür entscheiden.

Dew drops on a leaf

Dewdrops on a leaf. Photo by Mikael F. CC BY-SA-NC 2009

Besipielhafte Fragen für ein Debriefing

  • „Was ist passiert?“
    Die Interpretation dieser Frage gibt Aufschluss über die Antwortenden und ggf. deren Erwartung an die Lehreinheit in der Art eines Rorschach-Tests: Ist die Antwort physikalisch, botanisch, emotional oder didaktisch gefärbt?
  • „Was ist deiner Ansicht nach die Bedeutung dieses Spiels für dich / die Gruppe / für den institutionellen Rahmen, in dem wir hier sind / für das Thema heute?“

Die Tropfenstaffel wurde mir ursprünglich von einer Biologielehrerin gezeigt (deren Namen ich leider vergessen habe…), die diese Methode auf Schulexkursionen zur Verdeutlichung des Lotosblüteneffekt eingesetzt hat.

Letztendlich können Spiele dieser Art – verblüffend, vieldeutig, ästhetisch – eine Ergänzung von Containerspielen oder Gamification-Ansätzen sein: Die Aufmerksamkeit der Lernenden wird geschärft, es wird aber Raum gelassen für eine Erfahrung, die individuell gedeutet werden kann und soll. In dieser Hinsicht können diese Spiele – mit knappen Debriefing mit dieser Erklärung – Stimmungen für nachfolgende ‚vorgedeutete‘ Lerninhalte setzen.


Weitere Spiele dieser Art

Stille-Post-Spiele

Editorial des KVV Medien & Bildung zum Thema „Spiel“

Editorial des KVV Medien&Bildung WS 2011/12

Kleine Behälter tauschen in schneller Folge ihre Plätze, wobei durch konzentriertes Beobachten scheinbar ermittelt werden kann, was sich am Ende unter welchem Hütchen verbirgt. Die Spieler setzen auf die Zuverlässigkeit der eigenen Beobachtungsgabe und staunen, wenn sich am Ende der Inhalt nicht mehr dort befindet, wo er eigentlich sein sollte.

Unser Titelmotiv (drei Nussschalen) zeigt ein sehr altes Spiel, das sowohl Grundlage für Zauberkünstler wie für findige Trickser darstellt. Ein genauer Blick auf die Situation lohnt sich: Auf den Spieler, die Beobachter, die Hütchen – insbesondere für (Medium–)Pädagogen. Die Aufmerksamkeit des Passanten zu gewinnen (von dem zunächst angenommen werden muss, dass er Besseres zu tun, hat als Stehenzubleiben und sich auf den dargebotenen Zauber einzulassen), ihn an den Spieltisch zu locken und ihn anschließend zum (Weiter-)Spielen zu motivieren sind die ersten Aufgaben des Hütchenspielers.

Abbildung: „Der Zauberkünstler“ von Hieronymus Bosch, Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Conjurer_Bosch.jpg

Der Rückgriff auf solcherlei Tricks ist auch in Situationen des Lehrens und Lernens nicht unüblich – und das nicht erst seit Spielen und Lernen in erster Linie unter verkaufsfördernden Gesichtspunkten als Lernspiel, Edutainment oder neuerdings Game Based Learning gedacht werden. Die alte und vor allem grundsätzliche Frage der Pädagogik lautet: Wie lässt sich der Zögling möglichst widerstandslos (und natürlich zu seinem eigenen Vorteil) zum gewünschten Verhalten, hier: Lernen, bewegen? An großen Namen, die der Idee der pädagogisch fruchtbaren Verbindung von Spiel und Lernen Pate stehen, mangelt es nicht. Von Platon über Erasmus von Rotterdam, Johann Amos Comenius, Friedrich Schiller oder John Locke bis hin zu den prominenten Vertreterinnen und Vertretern der Reformpädagogik: die Lehre gestalte sich besonders einfach und effizient, wenn der Lernende zu spielen glaubt.

Dem Pädagogen, der hier aufhört, weiter zu fragen, bleiben grundlegende Möglichkeiten des Spiels als pädagogisches Medium verborgen. Im Übergang vom „Was?“ zum „Wie?“, das heißt hier also, wenn man sich fragt, wie und warum die Kugel ihre Position verändert (und so versucht, den impliziten Regeln des Spiels auf die Spur zu kommen) anstatt nur zu fragen, wo sie sich gerade befindet, beginnt man das Spiel als Medium zu erkennen und es nicht auf seine Funktionen als Attraktor und Katalysator des Lernens zu reduzieren. Dass nämlich viele der aktuell diskutierten Konzepte sich in der Regel auf behavioristische Wurzeln zurück besinnen und so das Spiel auf ein bloßes Mittel zum Zweck, einen beliebig befüllbaren Container reduziert wird, wird dabei gerne übersehen. Fängt man an, den Regeln des Hütchenspielers zu misstrauen, dann beginnt ein ganz anderes Spiel (lesen Sie dazu weiter im Artikel von Wey-Han Tan auf S. 10ff.)

Unabhängig davon, ob Sie sich als lernende/lehrende Person mit dem Hütchen, dem verborgenen Kügelchen, dem Hütchenspieler oder dem Beobachter identifizieren möchten, wünschen wir Ihnen ein spielfreudiges Semester und reichliche (Erkenntnis–)Gewinne.

Für das Team vom Medienzentrum,
Ralf Appelt, Sebastian Plönges,
Christina Schwalbe, Wey-Han Tan

P.S.: Ein eigens für dieses KVV entworfenes Brettspiel findet sich in der Mitte des Heftes.

Download KVV Medien&Bildung (*.pdf ca. 6,3mb) für das Wintersemester 2011/12 vom Server des Medienzentrums der Fakultät Erziehungswissenschaft der UHH)