Mathematische Spieltheorie, ethisches Handeln und Gesellschaft

Die mathematische Spieltheorie beschäftigt sich mit den sich gegenseitig beeinflussenden Entscheidungen mehrerer (rational handelnder) Spieler und deren mathematischen Beschreibung. Sie steht in Abgrenzung zu den Spieltheorien von z.B. Kulturanthropologen, Pädagogen, Psychologen etc. zu Strukturen und Funktionen des Spiels.

Grundsätzlich haben „Spiele“ der mathematischen Spieltheorie stets folgende Eigenschaften: Es gibt mehrere Spieler; es gibt Regeln, die die Interaktionsmöglichkeiten und den Umgang mit Informationen (wer weiß wann was?) festlegen; die Spielerentscheidungen haben Konsequenzen, die die eigenen und die Entscheidungen der Mitspieler beeinflussen; und es gibt eine Belohnung oder Auszahlung (oder Strafe) abhängig von bestimmten Bedingungen.

Die vier Eigenschaften von GT-Spielen. Aus: „Hogwarts Professor. Game Theory: A key to young adult’s fiction?“. Noch aufzuführen wäre unter Regeln der Umgang mit Information (PAPI: Players, Actions, Payoffs, Information)

Das Gefangenendilemma, ein Nicht-Nullsummenspiel, ist das bekannteste „Spiel“ der mathematischen Spieltheorie. In seiner Grundform als einmaliges Single-Shot-Spiel mit anonymen Gegenspieler ist die einzige rationale Strategie, den Gegner herein zu legen, d.h. die Entscheidung ist ausschließlich eine ethische. In diesem Zusammenhang sei einmal mehr auf Heinz von Foersters Betrachtung prinzipiell entscheidbarer und prinzipiell unentscheidbarer Fragen hingewiesen: Rationalität bzw. „rationales Handeln“ ist eine Entscheidungsfindungsstrategie unter vielen, die gewählt, modifiziert oder auch abgelehnt werden kann.

Christopher X.J. Jensen hat ein interaktives PDF dazu erstellt:

Bildschirmfoto 2016-01-22 um 14.50.08

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e8/Prisoner’s_Dilemma_embezzlement_scenario.pdf

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„In Zeiten des digitalen Wandels“

„Das Internet ist für uns alle Neuland.“
Angela Merkel beim Besuch Barack Obamas am 19.06.2013

„In Zeiten digitalen Wandels“ ist eine allgegenwärtige Floskel, insbesondere in Bereich der Politik und der (Aus)Bildung. Problematisch ist hier der Begriff „Wandel“, der üblicherweise zwischen zwei Phasen der Stabilität eine Zeit des Umbruchs, der Neuorientierung und auch der Krise bezeichnet. Der Begriff „Wandel“ ist im Zusammenhang medientheoretischer Betrachtung des Digital-Vernetzten zu unscharf! Weiterlesen

Spiel: Skrupel – ein Spiel mit Moral

Eines der prägendsten Attribute von Spiel ist die Entscheidung auf Seiten des Spielers. Um den rein strategisch-logischen Entscheidungen auch interpretativ-subjektiv-narrative entgegen zu setzen, habe ich mir basierend auf Kohlbergs „Heinz-Dilemma“  und der Punktevergabe des „Lexikon-Spiels“ das Seminarspiel „Skrupel“ ausgedacht. Interessanterweise kommt es im Verlauf des Spiels bisher stets zu einem Kippen zwischen präkonventionellem und postkonventionellem moralischen Verhalten einiger Spieler: Sollen die Entscheidungen altruistisch-ehrlich (Einstieg, 3. Stufe) oder egoistisch-gewinnorientiert (Kippen, 2. Stufe) gefällt und erzählt werden?

SkrupelScreenshot

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Spieldesign: Verbindung von alten und neuen Spielideen

Gemälde: Lucas von Leyden (1. Drittel des 16. Jhdts), „Die Schachpartie“
„Das Kurierspiel“ – Ein Schachbrett mit 12 x 8 Feldern?

Die wenigsten neuen Spiele entstehen aus dem Nichts, und viele der heutigen bekannten ‚kanonischen‘ Spiele sahen früher anders aus, wurden anders gespielt oder besaßen andere Rahmenerzählungen. Diese Entwicklung lässt sich im Kleinen auch beim Kinderspiel entdecken:

“Every game player is a potential game designer, and that means you.
When you were a kid, you probably started many a game of whiffle ball or Monopoly with a little negotiation over the rules. “If the ball gets stuck in a tree, it’s an out,” “Chance and Community Chest fines go into a pool, and whoever lands on Free Parking gets the money,” and so on. Kids don’t hesitate to change the rules of existing games to make them more enjoyable. The participatory nature of playing a game encourages us to think about, and sometimes modify, its rules that is, its design. (…) We’ve all played games that we thought could be improved by a few adjustments.”
– Rollings and Adams (2003): “Andrew Rollings and Ernest Adams on Game Design”, p.11

Wie bei anderen Medien auch gibt es im Spieldesign Genres, Tropen, Klischees; ständig wiederkehrende Narrationen – z.B. Krieg, Handel, Kreation, Auktion, Jagd, Aufbau, Fortschritt, Zuordnung etc. – und beliebte Regelelemente – z.B. Zufall, versteckte Information, abwechselnde Zugfolge, zwei Parteien etc.. Dabei geben die Regeln oder das physikalische Spielmaterial die eindeutige Spielmechanik vor, die die erlaubten Züge und das Spielziel definiert, während die narrativen Elemente Bedeutung und Motivation in die Spielhandlungen einbringen.
Die Veränderung einzelner Regelelemente – z.B. Karten zu ziehen und auszuspielen statt zu Würfeln bei “Mensch Ärgere dich nicht” oder das ‘blinde’ Spielen von “Tic-Tac-Toe” mit einem Spielmeister – ergibt bereits ein neues Spiel mit anderem Spielgefühl und anderer Aussage; kurz, es entsteht ein neues Medium, in dem gespielt werden kann (s. Marshall McLuhan).
Das selbe lässt sich beobachten, wenn narrative Elemente des Spiels geändert werden: Ein Computerspiel, bei dem man  gezielt eine Person töten muss, würde, je nachdem, ob man Terroristen oder Anti-Terror-Truppen spielt, ein anderes Spielgefühl hervorrufen („America’s Army“). Die erste Version von Risiko hatte z.B. als Mission noch „Erobern sie die Welt“, bis diese in das ‚ungefährlichere‘ „Befreien sie die Welt“ umgeformt wurde.
Und was passiert, wenn Beim „Cowboy und Indianer“-Spiel auf einmal kein Kind mehr die Cowboys spielen will? Weiterlesen

Drei Elemente des Spieldesigns

(Regel)Spiele setzen sich zusammen aus narrativen, regulativen und ästhetischen Elementen, wobei sich die drei Bereich gegenseitig durchdringen: In einem idealen, designtechnisch integriertem Spiel ergänzen und verstärken sich Rahmenerzählung, Regeln und ästhetische Gestaltung. Gegenläufige Verwendungen, z.B. die hohe Rolle des Geldes oder die gefälschten Würfelwürfe bei “eLections – Your Adventure in Politics”, einem Spiel, das die US-amerikanische Demokratie erklären soll, führen ggf. zu einem irritierenden Spielerlebnis (= in der US-Amerikanischen Politik wird geschummelt und der mit dem meisten Geld gewinnt vermutlich). Dies wäre bei Unusable Games aber durchaus erwünscht.

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Ringvorlesung „Medienbildung zwischen Utopie und Praxis“

Mit Blick auf die gesellschaftliche Relevanz von Medien und Bildung stehen theoretische Perspektiven und euphorische Utopien nicht selten praxisorientierten Projekten oder teils ernüchternden Erfahrungen aus dem pädagogischen Tagesgeschäft gegenüber.

Die Ringvorlesung „Medien & Bildung“ möchte im Wintersemester 2012/2013 einen interdisziplinären Raum schaffen, um dieses Spannungsfeld zwischen – im weitesten Sinne medienpädagogischen – Visionen und Forderungen sowie tatsächlichen Praxen und Förderungen in den Blick zu nehmen und zu diskutieren. Es soll verdeutlicht werden, warum beides notwendig ist: einerseits die Beschäftigung mit Hintergründen und Zusammenhängen, die nicht selten geprägt sind von einer idealisierenden Sichtweise auf aktuelle technologische, soziale und kulturelle Veränderungen; andererseits die Reflexion der Praxis und damit eine Auseinandersetzung mit alltäglichen Problemen, Hindernissen, Risiken – aber auch mit Chancen, Erfolgen, Veränderungen.

Ausgangspunkt der Vortragsreihe sind Kontroversen zwischen VertreterInnen von Utopie und Praxis, zwischen Hoffnung und Wirklichkeit, zwischen Euphorie und Ernüchterung. Ziel ist es, einen Rahmen für die Weiterentwicklung zeitgemäßer Medienbildung zu schaffen und damit Möglichkeitsräume für ein gemeinsames (Weiter-)Denken zu eröffnen. Weiterlesen

Artikel in „shift“: #spiel

Dieser Artikel von mir erschien gerade in Heil, Kolb und Meyer (Hg.) „shift.“, ein Reader – der erste – aus der Reihe „Kunst Pädagogik Partizipation.“, enstanden als gemeinschaftlich verfasstes Werk der TeilnehmerInnen des Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-2012.
Ich bin recht zufrieden mit dieser Version hier, während die lektorierte Version in der Printausgabe ein gutes Beispiel dafür ist, wie eine veränderte Interpunktion die Bedeutung einer Aussage verändern kann: „Komm wir essen Opa“. Weiterlesen

Frederic B. Skinner and the Tree of Knowledge

Combine Maturana & Varela, radical constructivists of the first hour, with Skinner, one of the most renowned behaviorists, and you’ll see that radical constructivism does not counteract behaviorism, but expands it on a higher (Batesonian) level.

“Everything said is said by someone.”
– Umberto Maturana & Francisco Varela (1987), “The Tree of Knowledge”, p.27

“I have never faced a problem which was more than the eternal problem of finding order.”
– Frederick B. Skinner (1956), „A Case History in Scientific Method“, quoted in Edward G. Rozycki (1995), „A Critical Review of B.F. Skinner’s Philosophy with focus on Walden Two“

“I have never faced a problem which was more than the eternal problem that every order encountered is someone’s order.”
Combination of Skinner (Behaviorism), and Maturana & Varela (Radical Constructivism).

The safety of medium and art – and the avantgarde

The contest between two artists, Zeuxis and Parrhasios

Two ancient artists competing against each other: Zeuxis paints grapes so realistic, that birds try to eat them. Parrhasios paints a curtain ‚hiding‘ his painting, which is so realistic that the other artist is fooled: Zeuxis isn’t able to perceive Parrhasios artwork as such at all because it is too realistic.

An old question: What should be called ‚art‘? Is it a subjective interpretation of reality, or an objective depiction that could be mistaken for reality? Does art, in the first place, have to be interpretable as art – before one can interpret its contents?

Engraving of Zeuxis and Parrhasios: http://steffenvoelkel2.de/01-2012/13.01.2012%20075.jpg

Trompe l’oeil

Deception of the eye: A piece of art that make use of, or trangsress the physical boundaries of its visual medium to startle or to bluff. This can be an artistic intervention to render the medium visible – by letting it flow over into reality.

A beautiful example is Pere Borell de Caso (1874), „Escapando de la crítica„, or „Escaping Criticism“, where a boy seems to step out of the painting’s frame which is also painted.

Interestingly, this painting could also be interpreted as ‚avoiding the discrimination‘ between what is real and what is virtual; or a hint that the framing of a medium, a framing which usually generates safety, can be incorporated in a work of art. As with a game, we can expect that content stays within the magic circle of the medium, and behaves true to the rules of the medium: A painting does not move or change, it has no (interesting) backside or depth, it stays in one place and does not follow us around.
A murder mystery is harmless fun as long as it stays within the frame of its technical medium, e.g. a book or a movie; but it gets threatening if it steps out of its boundaries.

Do you know Oscar Wilde’s famous 1890 novel „The Picture of Dorian Gray“? The „Nightmare on Elm Street“ movies? Fincher’s movie „The Game“ or, one of the latest addition to this genre, Suzuki’s excellent „The Ring“? See the similarity to Borell de Caso’s painting with a girl getting out of a TV-screen in „The Ring“ (US-remake from 2002).
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=lbO9LhD9PsI#t=0m31s[/youtube]
The horror, when a medium does not behave as expected…! Weiterlesen

Gender, women in science and advertisers: Unusability

The European Commission for Research and Innovation started an initiative on June 21st 2012 to get girls into scientific careers: „Science: It’s a girl thing!“
(See the link „questions about our videoclip?“ for some background infos)

A 1-minute video clip was produced by an ad agency for about 100.000 Euros. This clip was meant to raise interest in the age group of 9-13 year old females. It showed long legged photo models in high heels and short skirts, confronting a much more solemn, good looking male model als „scientist“, while lipsticks and powder puffs turn into bubbling test tubes and vice versa.
It worked exceptionally well as a viral campaign on what context markers not to use to create the context „Women as sciencists“.
With other words: The video – unintentionally – succeeded as discussion starter because it failed to use the right contextmarkers (whatever these are).

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=g032MPrSjFA[/youtube]

Stupid EU video PSA shows how *not* to promote science to young women

Here are, again, two approaches to initiate education deducible. One obvious to inform and integrate; and one to question invisible medio-cultural givens.

  • For the definition of context, contextmarkers, error and learning see: Gregory Bateson (1972), “The Logical Categories of Learning and Communications” in “Steps to an Ecology of Mind”