„The essence of dramatic tragedy is not unhappiness. It resides in the solemnity of the remorseless workings of things.“
– A.N. Whitehead (1948), „Science in the modern world“. Zitiert in Garrett Hardin (1968), „The tragedy of the commons„.
„Fisch für die Welt“ ist ein kleines RealLife-Simulationsspiel, das auf „Harvest“ aus dem Buch „The Systems Thinking Playbook for Climate Change: A Toolkit for Interactive Learning“ von Sweeney, Meadow und Mehers (2011) basiert. Das Buch ist als Ausgabe des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) frei im Web verfügbar. Im Buch wird mit dem Spiel über narrative Rahmung und Debriefing die Ausbeutung der Commons/Allmende von Fischbeständen auf Kosten aller verdeutlicht.
Spieltheoretisch ist es eine weniger abstrakte Variante des Gefangenendilemmas.
Es gibt eine webbasierte Version „Fishbanks“ mit mehr Variablen (Ankauf/Verkauf/Wertverlust von Schiffen, verschiedene Fanggebiete etc.), die als Multiplayer-Spiel für Klassen eingesetzt werden kann, in meine Augen aber etwas vom Reiz der Unmittelbarkeit und der transparenten, leicht modifizierbaren Regeln einbüßt.
Fisch für die Welt – Minimalversion ohne Token
Anzahl der Mitspieler: 3-6 Teams mit 2-6 Personen
Die Geschichte
Euer Team ist ein Fischereiunternehmen, das versucht, möglichst viele Fische in einer bestimmten Anzahl von Runden zu fangen. Ihr konkurriert dabei mit anderen Fischereiunternehmen, die ein ähnliches Ziel haben. Verständigt euch im Team vorab und während des Spiels über eure Strategie! Das Team, das am Ende die meisten Fische gefangen hat, gewinnt.
Fischbestände
Das Meer hat eine maximale Kapazität von 50 Fischen. Jede Generation an Fischen kann am Ende einer Runde eine Anzahl an neuen Fischen in Höhe des aktuellen Bestand bis zur maximalen Kapazität des Lebensraums hervorbringen.
Aufgaben der Spielleitung in jeder Runde:
- Teambögen einsammeln
- den Fangwunsch von den Beständen (50 am Anfang) abziehen und in den Bogen eintragen; wenn die Bestände niedriger sind als der Fangwunsch, wird beim aktuellen Fang „0“ eingetragen, die Bestände bleiben dann auf ihrem Stand.
- Nachdem alle Bögen bearbeitet sind, wird der Fischbestand für die nächste Runde ermittelt: Bei mehr als 25 verbliebenen Fischen wird auf 50 aufgefüllt; bei weniger als 25 Fischen wird der Bestand lediglich verdoppelt.
- Rückgabe der Bögen
- Nach einer bestimmten Anzahl an Runden (6-10) wird das Spiel beendet, die Gesamtfänge der Teams ermittelt, die Entwicklung der Fischbestände über die Runden aufgezeigt und eine Nachbesprechung eingeleitet.
Aufgaben der Spieler in jeder Runde
Vorab und während des Spiels sollten sich die Spieler innerhalb des Teams über eine gemeinsame Strategie verständigen.
- Variante A: Keine Absprachen mit anderen Teams
- Variante B: Die Teams können sich untereinander über ihre jeweiligen Strategien verständigen
- Entscheidet im Team, wieviel Fisch (0 bis 9) ihr in dieser Runde fangen wollt und schreibt die Zahl in die Spalte „gewünschter Fang“.
- Gebt euren Teambogen der Spielleitung. In zufälliger Reihenfolge werden die Fänge dann in eure Tabelle eingetragen und der Bogen an euch zurückgegeben. Wenn euer Fangziel über der verbleibenden Fischpopulation liegt, erhaltet ihr leider keine Fische.
- Tragt am Ende eurer letzten Runde den Gesamtfang in das letzte Kästchen ein
Beispielfragen für die Nachbesprechung nach dem Spiel
- Was ist im Spiel passiert?
- Wer (oder was) war dafür verantwortlich?
- Was war, rein mathematisch, der für jedes Team erreichbare maximale Gesamtfang? Wie hat sich der tatsächliche Fang von diesem unterschieden?
- Gab es einen Gewinner im Spiel? Wie sehen Siegbedingungen im Spiel aus, wie in der Realität?
- Spieldesign/Modellierung: Wie realistisch ist das Spiel? Welche Faktoren liessen sich in das Spiel noch einbauen, um es realitätsnäher zu gestalten?
- Spieldesign/Gestaltung: Wie liesse sich das Spiel ansprechender, immersiver, unterschiedlich zur üblichen Lehrsituation (d.h. sitzend, schreibend, in Kleingruppen diskutierend) gestalten?
Hintergrund des Spiels
„Hardin zufolge werde, sobald eine Ressource uneingeschränkt allen Menschen zur Verfügung steht, jeder versuchen, für sich so viel Ertrag wie möglich zu erwirtschaften. Dies funktioniere solange, wie das Gut nicht erschöpft wird. Sobald jedoch die Zahl der Nutzer über ein bestimmtes Maß hinaus ansteigt, greife die Tragik der Allmende: Jeder versuche nach wie vor, seinen Ertrag zu maximieren. Nun reiche das Gut aber nicht mehr für alle. Die Kosten, die durch den Raubbau entstünden, trage die Gemeinschaft. Für den Einzelnen sei der augenblickliche Gewinn wesentlich höher als die erst langfristig spürbaren Kosten. Doch letztlich trage jeder sowohl zum eigenen als auch zum Ruin der Gemeinschaft bei.“
– Wikipedia „Tragik der Allmende“, Zusammenfassung nach Garret Hardin: The Tragedy of the Commons. Science Nr. 162 (1968), Seiten 1243–1248
Zum Download:
Drei Varianten des Regelblatts:
- Zusammenheftbarer Umschlag für die „Fische“, die hier als Tokens (Münzen, Spielmarken) hinein getan werden
- Einfacher Tabellenbogen, der zwischen Spielern und Spielleitung hin- und hergereicht wird (siehe Spielbeschreibung oben).
- Tabellenbogen mit Erweiterungsmöglichkeit der Fangflotte (Kosten-Nutzen-Berechnung, Ressourcenmanagement)
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