„…in anything but a game the gratuitous introduction of unnecessary obstacles to the achievement of an end is regarded as a decidedly irrational thing to do, whereas in games it appears to be an absolutely essential thing to do.“
– Bernhard Suits 1978, „The Grasshopper: Games, Life and Utopia“, p.39
Wenn ein Spiel zu spielen der freiwillige Versuch ist, unnötige Hindernisse zu überwinden, dann ist die Erschaffung eines neuen oder Modifikation eines bestehenden Spiels der schöpferische Umgang mit unnötigen, aber interessanten Hindernissen. Es geht dann unter anderem um das ästhetische Design von Krisen, verbunden mit dem impliziten Design von Strategien bzw. Strategieräumen zu ihrer Lösung.
Der spielerische bzw. spielende Ansatz ist für Kunst und Bildung insofern interessant, als dass er einerseits Krisen und Lösungsstrategien aktiv erfahrbar macht, weiterhin aber neben der Bewältigung auch durch die Wiederholbarkeit die Freiheit und unterschiedliche, legitime Möglichkeiten zum Scheitern liefert.
„Ich mag Geschichten über das Scheitern. (…) Das ist eine der ältesten Geschichten der Welt. Wir Menschen ziehen los und erschaffen tolle neue Welten. Aber wir nehmen uns immer mit. Und wenn wir das Verderben an einen Ort gebracht haben, dann folgt es uns auch zum nächsten.“
– Ken Levine, “Bioshock”,
GEE Mag 09/10 2007
Um uns herum kriselt es. Zwischen Bildungs-, Umwelt-, Finanz- und Demokratiekrisen stecken wir in beruflichen und gesundheitlichen, in Schaffens-, Beziehungs- und Lebenskrisen aller Art. Überall sehen wir uns als Gesellschaft oder als Individuum aufgefordert, zukunftsweisende, ja: zukunftsbewahrende Entscheidungen zu treffen.
Dabei wird häufig dreierlei als gegeben angenommen:
- Erstens, dass eine Krise eine Entscheidung zu ihrer Lösung erfordert;
- zweitens, dass für diese Entscheidung eine begrenzte Anzahl von oder ein klar definiertes Kontinuum an Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen;
- und drittens, dass es daraus eine einzige, optimale Wahl gibt, die mit Hilfe einer rationalen Lösungsstrategie gefunden werden kann.
Anders als die Unausweichlichkeit einer Entscheidung an sich vereinfacht eine eingeschränkte Auswahl von Lösungen und eine alternativlose Lösung daraus eine Krise ganz enorm: Wenn es je nach Werte- und Deutungssystem nur eine einzige Richtung gibt, in die man gehen kann, dann braucht man keine Krise zu befürchten – höchstens das Fehlen oder die Unzulänglichkeit einer Strategie zur Entdeckung ihrer als sicher vorhanden angenommenen Lösung.
Bei dieser Frage nach der besten Strategie wird es etwas komplizierter, denn Auswahl- und Lösungsstrategien zum korrekten “Unterscheiden und Benennen” können aus einer tief verwurzelten, kultur- oder identitätsstiftend gewordenen Entscheidung herrühren: Sich überhaupt erst auf ein bestimmtes Spiel – z.B. “Demokratie”, “freie Marktwirtschaft”, „Schule“ etc. – eingelassen zu haben, dessen Regeln implizit bestimmte Strategien vorgeben. Die entsprechenden Strategien vermitteln Anleitungen zur Deutung und Behandlung von Ereignissen, also Rechtfertigungen möglichen Handelns.
Wenn man eine solche ‘optimale’ Strategie als Medium betrachtet, lässt sich ihr Erfolg – und ihre Gefahren – nicht mehr nach den Lösungen bewerten, die in ihr implizit eincodiert sind, sondern nach ihrer zunehmenden Basalität und Selbstverständlichkeit.
„Mediale Vermittlung ist also darauf angelegt, das, was vermittelt wird, wie ein ‚Unmittelbares‘ in Erscheinung treten zu lassen; der Erfolg von Medien besiegelt sich in ihrem Verschwinden.“
– Sybille Krämer, „Medium, Bote, Übertragung: Kleine Metaphysik der Medialität.“ Suhrkamp 2008
Eine Aufgabe der Kunst ist es, auf diesen Umstand hinzuweisen:
Verschwundenes wieder zu entdecken, Unmittelbares wieder mittelbar zu machen.