Die Idee ist robust, schnell erklärt und lange erprobt: Das stetige und aufmerksame sich Beschäftigen mit einer Tätigkeit führt schließlich zu Aufstieg, Meisterschaft und Belohnung. Rabattmarken, Vielfliegermeilen oder Treuepunkte sind Beispiele für kommerzielle Umsetzungen von Gamification. Experience Points (XP) oder gelöste Aufgaben als „Währung“, um Badges zu erwerben, Levels zu meistern, Achivements zu erhalten, sind deren Äquivalent in Spielen.
Auch, wenn sich die den Listen zu Grunde liegenden Tätigkeiten bei Gamification-Ansätzen nicht von denen des üblichen Lernalltags unterscheiden, findet erstens ein anderes Framing statt: Wettbewerb und Sammeltrieb können und sollen ein spielerisches Gefühl auslösen; zweitens wird der Lernfortschritt sichtbarer als nur bei einer Abnahme der Leistung ganz am Ende des Oberthemas.
Den Listenstrukturen liegen erkennbar behavioristische lerntheoretische Ansätze zu Grunde, d.h.
- ein Aufteilen komplexer oder umfangreicher Themen in kleine, genau definierte Abschnitte bzw. dazu passenden Aufgaben, ggf. in einer logischen, aufeinander aufbauenden Abfolge;
- ein direktes Feedback nach einem Erfolg oder Mißerfolg, idealerweise in Form einer Belohnung bzw. einer Korrektur und Wiederholung; und
- klare, eindeutige Zielsetzungen, deren Erreichen üblicherweise von einer Autorität kontrolliert und belohnt wird.
Prinzipiell geht es um eine orientierende Strukturierung von Lernstoff in Form von übersichtlichen ungeordneten, geordneten oder verzweigenden Listen, durch die sich die oder der Lernende schrittweise „hindurchspielen“ kann.
Didaktische Ziele des Einsatzes
- Zu Beginn dient die Liste als Übersicht über die Lernziele und den Aufbau der Lehreinheit.
- Die Lernenden werden motiviert, dem Lehrinhalt aufmerksamer zu folgen und erhalten gleichzeitig kleinschrittigere „Belohnungen“ durch regelmässiges Abhaken der Liste (Bingo-Effekt).
- Während und am Ende der Lehreinheit dienen unausgefüllte Felder als Hinweis für offene Fragen, Defizite bzw. nötige Vertiefungen.
- am Ende der Lehreinheit finden die ausgefüllten Listen Verwendung zur Kontrolle für Lernende und/oder Lehrende über das erfolgreiche Erreichen der geplanten Lernziele.
Eine Variante ist das Erstellen einer solchen Liste zu Beginn der Veranstaltung durch die Lernenden, um erwartete oder selbst gesetzte Lernziele mit den tatsächlichen abgleichen zu können.
Punchcards – ungeordnete Listen
Das vielleicht einfachste Beispiel sind „Punchcards“: ungeordnete Listen, auf denen z.B. Aufgaben oder zu beantwortende Fragen aufgeführt sind und die implizit Lernziele einer Veranstaltung abstecken. Sind alle Listenpunkte „abgehakt“, gibt es eine Belohnung in Form eines „Titels“ bzw. des Wissens um Vollständigkeit des Erreichten. Offen gebliebene Kästchen können für die Lernenden bzw. die Lehrenden einen Hinweis auf einen zukünftigen Fokus geben.
Bild: Ungeordnete Liste zum Abhaken einiger thematischer Schwerpunkte im BASIS-Workshop „Spiele in der Hochschulbildung“. Zwei der Felder sind Blankofelder für eigene Erwartungen (vorher einzutragen), eines ein Blankofeld für eine unerwartete Einsicht. Wey-Han Tan (2013) „Punchcard“ („Loch- oder Stempelkarte“).
Zum Downloaden und an die eigenen Inhalte Anpassen:
- Punchcard „Spiele für die Hochschullehre“ (ausdruckbares PDF)
- Punchcard Blankohintergrund als Hintergrund für eigene Punchcards (PDF)
- Blanko-Punchcard mit Anweisungen, wie man sie mit eigenen Inhalten füllt (MS Word-Dokument).
Levelling – geordnete Listen
Wenn die Aufgaben oder Themen klar aufeinander aufbauen, dann ist eine Level-Struktur naheliegend. Mit jedem erreichten Level ist ein höherer Grad an Kompetenz verbunden. Punchcards/ungeordnete Listen lassen sich gut als Eingangsbedingung für einen neuen Level verwenden.
Bild: Lineares Leveling in „Gaming the Classroom“, ein Konzept von Lee Sheldon (2010): die gamification eines universitäten Multiplayer Game Design Course https://gamingtheclassroom.wordpress.com/syllabus/ .
Bild: Questlog der Computerspielschule Hamburg (2017), einer gemeinsamen Initiative der UHH, HAW, Bücherhallen Hamburg und der Creative Gaming Initiative, die sich an Kinder und Jugendliche wendet. Leveling findet hier statt über ungeordnete Listen pro Level und Experience Points (XP) pro Aufgabe. Die Höhe der XP richtet sich nach Schwierigkeitsgrad oder Zeitaufwand der jeweiligen Aufgabe. Die Aufgaben werden auf separaten Zetteln genauer beschrieben.
Skilltrees – verzweigende Listen
Ein Skilltree oder Fertigkeitsbaum ist dann sinnvoll, wenn begrenzte Zeit oder ein großer thematischer Umfang eine Entscheidung seitens der Lerner auf eine Fokussierung eines bestimmten thematischen Aspekt nötig macht. Niemand muss am Ende alles können – die Baumstruktur erleichtert den Lernenden aber den Überblick, was alles zu einem Teilgebiet des Themas gehört und wo er oder sie sich entscheiden sollte, wenn ein „Ast“ komplettiert werden soll.
Sidequests – Nebenaufgaben – sind ebenfalls ein Konzept aus digitalen Spielen, den Blick auf verwandte Themen neben der roten Linie des Seminars zu lenken. Im Prinzip kann jede interessant beschriebene Fußnote in einem Text als eine solche Sidequest angesehen werden!
Bild: Entwurf für einen Skilltree „Aanloges Gamedesign“ mit Badges für einzelne Zweige
Kommerzielle digitale Spiele wie Fallout 4 besitzen Skilltrees, die es an Komplexität mit kleineren wissenschaftlichen Fachgebieten aufnehmen können und ein eigenes Aufbauspiel im Spiel darstellen.
Badges und Achievements
Badges und Achievements, Abzeichen und erreichte Zwischenziele, werden vergeben bei der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe, z.B. dem vollständigen Ausfüllen einer Punchcard oder dem Erledigen einer thematisch verwandten Gruppe von Aufgaben. Z.B. für die Erfüllung von „Spielregeln eines bestehenden Spiels verändert“, „Ideen für eigenes Spiel bekommen“ und „eigenes Spiel entworfen“, „eigenes Spiel probegespielt und optimiert“ erhält die oder der Lernende das Achivement „Spieldesign“ bzw. die Badge „Spieldesigner*in“.
Achtung: Wenn Badges und Auszeichnungen zu leicht erreicht werden können („Fast jedes Kind erhält ja eine Siegerurkunde!“), dann können sie als Motivation ihren Wert verlieren!
Bild: Badges des Red Cross Youth, die die Kenntnisse innerhalb eines bestimmten Themenkomplexes verdeutlichen / Singapore (CC SA by Ambrosells 2016)
Links
- Blogartikel von Janna Spannagel über Einsatz u.a. einer Bingomechanik zum Kopfrechnen: https://archive.fo/bt5vo
- Bunchballs Whitepaper über einige Prinzipien der Gamification: http://www.quilageo.com/wp-content/uploads/2013/07/Bunchball_Gamification_101_0912.pdf
- Mashable: How to: Use Badges properly to engage Customers:
http://mashable.com/2011/08/19/badges-gamification-tips/#YcFM2qYI_5q4