„Das Internet ist für uns alle Neuland.“
– Angela Merkel beim Besuch Barack Obamas am 19.06.2013
„In Zeiten digitalen Wandels“ ist eine allgegenwärtige Floskel, insbesondere in Bereich der Politik und der (Aus)Bildung. Problematisch ist hier der Begriff „Wandel“, der üblicherweise zwischen zwei Phasen der Stabilität eine Zeit des Umbruchs, der Neuorientierung und auch der Krise bezeichnet. Der Begriff „Wandel“ ist im Zusammenhang medientheoretischer Betrachtung des Digital-Vernetzten zu unscharf!
Gregory Bateson mängelte Ähnliches für den Begriff „Lernen“ an (Bateson (1985), „Ökologie des Geistes“, S.363f), das üblicherweise entsprechend eine (bewußt) herbeigeführte Veränderung im Verhalten bezeichnet: also ein „Wandel“ in Fähigkeit, Möglichkeit und Wahrnehmung der Lernenden ist. Bateson zieht zu seiner empfohlenen Stufentheorie des Lernens die Physik der Bewegung zu Hilfe: Stillstand ist die Abwesenheit von Bewegung; Geschwindigkeit bezeichnet eine gleichförmig-konstante Bewegung; Beschleunigung ist eine gelichförmig-konstante Änderung der Geschwindigkeit; etc.
Ähnliches lässt sich auch für den „Wandel“ annehmen. Die „Zeiten digitalen Wandels“ sind in dieser Hinsicht eine Tautologie, da Digitalität als reiner Möglichkeitsraum Wandel sowohl herausfordert als auch davon lebt, um überhaupt wahrnehmbar zu sein. Es ist kein Wandel der konstanten Ortsveränderung, der irgendwann zum erholsamen Stillstand gelangt – es ist ein Wandel, bei dem vielfältige Beschleunigungsvektoren den Zustand des Wandels als beschleunigte, irreguläre Bewegung erst aufspannen.
Insofern ist Angela Merkels hilflos klingender Ausruf gar nicht so verkehrt. Die Formulierung müsste nur lauten: Das Internet bleibt für uns alle Neuland. Oder wie McLuhan es 1964 in „Understanding Media“ ausdrückt: „If it works, it’s obsolete.“
Was bedeutet dies für die Fragen, die sich (Aus)Bildung und Bildung in ihrer institutionalisierten Form stellen müssen?